Energiewende: Nachhaltigkeit muss nicht teuer sein

Wieviel kostet in Italien die Energiewende (eine nachhaltige Umstellung auf erneuerbare Energieträger)?

Wenn man den italienischen CO2-Ausstoß bis 2050 auf null senken will, seien Investitionen in der Höhe von 3.351 Euro Milliarden Euro notwendig. Das ist ein Ergebnis der im September vorgestellten Studie „Net Zero E-conomy 2050“ der Enel Foundation und des Beratungsunternehmen The European House – Ambrosetti. Eine konsequente „Null-Emissions-Politik“ hätte aber auch viele wirtschaftliche Vorteile.

Auf der „Einnahmenseite“ stehen laut den Berechnungen der Forscherinnen und Forscher zusätzliche volkswirtschaftliche Erträge (328 Milliarden Euro). Bis zu 2,6 Millionen neue Arbeitsplätze im Rahmen einer ausgeweiteten „Green-Economy“ sind vorgesehen. Einsparen soll man auch durch eine höhere Produktivität und weniger krankheitsbedingte Todesfälle aufgrund einer geringeren Umweltverschmutzung (614 Milliarden Euro). Vor allem aber soll dank dem sinkenden Import fossiler Brennstoffe, die im Zeitraum 2022-2050 immerhin auf 1,914 Milliarden Euro geschätzt werden, gespart werden. Gleichzeitig würde die Versorgungssicherheit in Italien aufgrund der geringeren Abhängigkeit von Öl- oder Gaseinfuhren aus Krisenregionen wesentlich gestärkt. Der Blick auf den Status Quo ist dagegen eher düster. Von den selbstgesteckten Klimazielen für das Jahr 2030 trennen Italien immer noch acht Prozentpunkte. Darin wird auch der Anteil an erneuerbaren Energien von 30% am Endverbrauch in Unternehmen und Haushalten festgelegt. Selbst bei der Verringerung der Treibhausgasemissionen erreiche Italien laut der Studie mit einer Abweichung von 2,3 Mio. Tonnen CO2-Äq. nicht die vorgegebenen Zielwerte.

Strompreise: Energieautonomie wagen!

Warum sind unsere Strompreise von Gasmärkten abhängig, obwohl wir in unserem Land nur erneuerbare Energie erzeugen? In Südtirol werden jährlich 6,8 Terawattstunden (TWh) Strom produziert. 6,6 TWh liefern erneuerbare Energiequellen und 88 Prozent dieses wertvollen grünen Stroms erzeugen Wasserkraftwerke. Südtirol verbraucht pro Jahr 3,1 TWh Strom. „Dass Südtirol so viel Strom produziert, muss sich auch in einem vergünstigten Strom für die heimische Bevölkerung und Südtirols Betriebe niederschlagen. Wir können nicht zusehen, wie die Energiepreise immer mehr steigen“, erklärt dazu der Präsident des Südtiroler Energieverbands SEV Hanspeter Fuchs in einer Aussendung. SEV-Direktor Rudi Rienzner fügt hinzu: „Kurzfristig sind wir den Preissteigerungen ausgesetzt. Mittel- bis langfristig aber sollte Südtirol die Voraussetzungen schaffen, um in Zukunft noch besser vor Energiepreissteigerungen gewappnet zu sein.“

In einer Reaktion auf eine Aussendung des Unternehmerverbands Südtirol (UVS) plädiert der SEV daher für ein mutiges und entschlossenes Vorgehen in Richtung Energieautonomie. So kündigte der Unternehmerverband an, seine Mitgliedsbetriebe angesichts rasant steigender Preise für Strom und Gas bei der Gründung von Energiegemeinschaften unterstützen zu wollen. „Energiegemeinschaften sind sicher positiv zu bewerten, tragen aber in der aktuellen Krisenlage aufgrund der ausstehenden staatlichen Durchführungsbestimmungen nicht dazu bei, die Belastung aufgrund der hohen Strompreise kurzfristig zu senken“, sagt dazu der Direktor des Südtiroler Energieverbands SEV Rudi Rienzner. Hier werde „Aspirin verschrieben, obwohl eine intensive Therapie notwendig wäre“. Den Unternehmen muss man jetzt schnell und unbürokratisch helfen. Mittel- und langfristig könne allerdings nur eine Energieautonomie mit einer eigenen Regulierungsbehörde wirksam auf die Preisgestaltung einwirken. Rienzner: „Das ist die einzig mögliche Therapie. Auf die Erreichung dieses Ziels sollten sich auch die Wirtschaftsverbände in Südtirol konzentrieren“.

Strompreise: Wir können etwas tun!

Nachhaltigkeit muss nicht unbedingt teuer sein. Während das Land Südtirol 2,3 Millionen in seine „Sustainability Days“ investiert (bei 2.000 physisch anwesenden Besucherinnen und Besuchern waren das 1.150 Euro pro Kopf!), erarbeiten andere konkrete Maßnahmen, um die Belastung aufgrund der rasant steigenden Strom- und Gaspreise zu verringern. Ein Beispiel: Die Stadtwerke Bruneck bieten ihren Kunden ein PV-Modul zur Stromerzeugung mit den notwendigen Kabeln und dem Montagezubehör an. Die niedrigen Anschaffungskosten (390 Euro) werden in zwei Jahren über die Stromrechnung zurückerstattet. Diese Mini-Kraftwerke kann man inzwischen bei den Stadtwerken bestellen. Zudem will die Gemeinde Bruneck die eigenen PV-Anlagen erweitern, den Energieverbrauch im Hallenband Cron4 senken und die Wärmeproduktion im Biomassefernheizwerk in Zukunft erheblich steigern.

Zur Erinnerung: Ötzi Strom hat eine Konvention mit dem österreichischen Hersteller von Plug-In-PV-Modulen EET abgeschlossen. Ötzi Mitglieder können dessen Produkt „Lightmate“ jetzt über die eigene Genossenschaft erwerben. Ötzi nimmt die Bestellung auf und die Lieferung erfolgt direkt zum Kunden. Das „Lightmate“-Modul mit einer Leistung von 320 kW wird über einen Stecker mit dem Stromnetz der Wohnung verbunden. Den Netzbetreiber informiert man in diesem Fall mit einer einfachen Konformitätserklärung. Die Vorlage finden Sie auf der EET-Homepage zum Download. Diese Investition lohnt sich. Mit dem „grünen“ Balkonkraftwerk „Lightmate“ kann eine durchschnittliche Familie bis zu 15 Prozent ihrer Stromkosten pro Jahr einsparen.

Alle wichtigen Infos, technische Details, Abmessungen und Preise findet ihr hier.

Der Ökobonus (50%9 fördert den Erwerb von PV-Anlagen. Infos findet ihr hier.

Fernwärme: Der große Erfolg der Energie „von daheim“

Energieautonomie lohnt sich – auch im Bereich der Wärmeversorgung. Wenn es um grüne und kostengünstige Fernwärme geht, sind Fernheizsysteme heute die erste Wahl. Mit 78 Anlagen verfügt Südtirol heute über die höchste Konzentration von Biomasse-Fernheizwerken in Italien. Mehr als 17.000 Südtiroler Haushalte werden mit „Fernwärme versorgt. Während die Öl- und Gaspreise rasant steigen, sind die Einkaufspreise für Hackschnitzel oder Rundholz in einem geringeren Ausmaß gestiegen.

Neue Technologien verstärken diesen großen Preisvorteil: 2021 baut das Heizwerk Toblach-Innichen ein neues Heizhaus. Mit einer an zwei Heizkesseln betriebenen ORC-Anlage produziert der Betrieb den Strom für den Eigenbedarf seitdem zu 100 Prozent selbst und verkauft seinen Überschussstrom an ein lokales Energieversorgungsunternehmen. Deshalb kann die Betreibergenossenschaft ihre Lieferpreise für 2.000 lokale Haushalte und Unternehmen 2022 von 0,092 Euro pro Kilowattstunde – ein Wert, der seit 1994 unverändert geblieben war – auf 0,085 Euro senken.

Übrigens: In ihrer Richtlinie über die Förderung und Ausbau erneuerbarer Energie unterstreicht die EU „dass sich Endkunden und insbesondere Haushalte, unter Beibehaltung ihrer Rechte oder Pflichten als Endkunden, an einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft beteiligen dürfen“. Mit dem Aufbau genossenschaftlicher Fernheizwerkbetreibe hat man das in vielen Südtiroler Dörfern schon vor Jahrzehnten in Eigeninitiative getan – ohne EU, ohne Clean Energy Packages, ohne Klimapläne aus Bozen und Rom. „Ökologische Selbstversorgung? Warum eigentlich nicht – wenn die Voraussetzungen dafür bestehen. Die Produktion und die Verteilung von Energie werden damit zu einem zentralen Bestandteil lokal verwurzelter und regional eng vernetzter Wirtschaftskreisläufe. Auch das ist Autonomie – und Unabhängigkeit“ – diese Sätze hat der Südtiroler Energieverband 2012 – also vor zehn Jahren – in seinen energiepolitischen Thesen formuliert und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Klimaplan Südtirol 2040: Das erste Kapitel ist online

Bild © https://umwelt.provinz.bz.it/energie/klimaplan-energie-suedtirol-2050.asp

Am 30. August hat die Südtiroler Landesregierung den ersten „allgemeinen“ Teil des „Klimaplans Südtirol 2040″ verabschiedet. Am 6. September wurde das Dokument im Rahmen der Sustainability Days Südtirol zum ersten Mal öffentlich vorgestellt. Südtirol verfügt seit 2011 über einen eigenen Klima- und Energieplan. Dieser wurde, so wie im ersten Dokument vorgesehen, 2016 das erste Mal überarbeitet und 2021 erneut zur Debatte gestellt. Der „allgemeine“ Teil beinhaltet die klimapolitische Vision des Landes, die übergeordnete Strategie, eine erste Übersicht über den Status Quo sowie wichtige Handlungsbereiche mit ausgewählten Maßnahmen. In einem zweiten Teil wird dieser Status-Quo-Bericht dann genauer ausgearbeitet, um eine Grundlage für die gezielte Umsetzung der Maßnahmen in den einzelnen Aktionsfeldern sowie für ein wirkungsvolles Monitoring der Umsetzungsschritte zu schaffen.

Das erste Kapitel des „Klimaplan Südtirol 2040“ ist  online abrufbar.

Strom: Der Preisschock

Die Energiemärkte spielen verrückt. Im August ist der gesamtstaatliche Einheitspreis für elektrische Energie auf einen historischen Höchststand von 87 Cent pro Kilowattstunde (kWh) und einen Monats-Mittelwert von 54 Cent / kWh angestiegen. Das ist ein Preisschock. Der Mehrjahresvergleich zeigt, wie dramatisch die Lage jetzt ist und was auf Haushalte und Unternehmen in den kommenden Monaten zukommen wird. 2019 – und damit noch vor der COVID-19-Pandemie – betrug der Jahres-Mittelwert 5 Cent / kWh. Mit anderen Worten: In nur drei Jahren hat sich der italienische Strompreis, an den auch Ötzi Strom gebunden ist – verzehnfacht.

Auch die Preissteigerung in diesem Jahr ist von einem bislang unbekannten Ausmaß. Im Vergleich zum Januar 2022 hat sich der PUN im August mehr als verdoppelt. Ausgelöst wurde diese dramatische Entwicklung von den hohen Preisen für fossiles Gas durch den Ukraine-Krieg. Die Marktverwerfungen sind in diesem Bereich dann auch enorm. Inzwischen decken die Gasimporte aus Russland nur noch 18 Prozent des italienischen Bedarfs. Vor einem Jahr waren es noch 73 Prozent. Die Lieferketten verschieben sich derzeit von der „alten‘“ Ost-West-Achse auf die „neue“ Nord-Süd-Verbindung. Italien will russisches Gas vor allem über bestehende Pipeline-Verbindungen mit Importen aus Algerien und Flüssiggas-Einfuhren aus Übersee ersetzen.

Aber diese radikale Neuausrichtung braucht viel Zeit. Der Winter wird für alle Strom- und Gas-Kunden in Südtirol daher hart und teuer werden. Etwas Besseres können wir derzeit – leider – nicht prognostizieren. Schließlich hat Russland kein Interesse daran, die Gaspreise, die im Ukraine-Konflikt auch ein politisches Druckmittel sind, zu senken und fackelt diesen Rohstoff an der finnischen Grenze lieber ab, als die Lieferungen nach Westeuropa zu erhöhen. Eine Möglichkeit, sich aus dieser Zwangslage zu befreien, ist der potenzierte Ausbau erneuerbarer Energien. Nur wer kein fossiles Gas nutzt und so viel „grüne“ Energie wie möglich im eigenen Land erzeugt, kann von Gas-Exporteuren nicht erpresst werden. Eine Appeasement-Politik, die Zerschlagung der Ukraine und die Wiederaufnahme der Gasimporte aus Russland auf dem Vorkriegsniveau wären der falsche Weg.

Dazu ein Zitat von Winston Churchill aus dem Jahr 1940: “You can not reason with a tiger when your head is in his mouth”.

Energieautonomie: ein Weg aus der Krise?

In der italienischen Energielandschaft nimmt Südtirol eine Ausnahmestellung ein. In Südtirol gibt es 48 Stromverteiler, in ganz Italien 131. In Südtirol werden jährlich 6,8 TWh Strom produziert. 6,6 TWh liefern erneuerbaren Energiequellen und 88 Prozent des „grünen“ Stroms erzeugen mehr als 1.000 Wasserkraftwerke. Südtirol verbraucht pro Jahr aber nur 3,2 TWh Strom. Dennoch sind die Strompreise auch in Südtirol an die rasant steigenden Börsenpreise für fossiles Gas gekoppelt. Man kann sich damit abfinden – oder man kann versuchen, dieses Marktdesign zu verändern. Der Südtiroler Energieverband SEV setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, die bestehenden autonomiepolitischen Spielräume auszuschöpfen und eine Energieautonomie aufzubauen, um aktiv auf die Ausgestaltung des lokalen Strommarkts einzuwirken. Die Landespolitik hat gesagt, dass sei nicht möglich. Der SEV hat selbst bei renommierten Rechtswissenschaftlern nachgefragt und inzwischen bewiesen, dass Südtirol in der Energiepolitik sehr wohl mehr Autonomie wagen kann. Im Frühjahr hat der SEV gemeinsam mit der Handelskammer Bozen ein umfangreiches Rechtsgutachten erstellen lassen, dessen Ergebnis eindeutig ist: Das Land kann nicht nur eine Regulierungsbehörde im Bereich Energie aufbauen, sondern es muss das sogar tun, wenn es seine im Autonomiestatut festgeschriebenen Zuständigkeiten nutzen will. Derzeit übernimmt diese Kompetenzen der Staat. Eine Energieautonomie schließt demnach Handlungsspielräume in der Preis- und Vertragsgestaltung ein, wie die Bildung einer eigenen Strombörse oder einer lokalen Preiszone. Wieder sagt die Politik, das sei nicht möglich. Wartet man auf bessere Zeiten? Das ist in dieser Notlage keine Option. Wind, Wasser und Sonne, sind, so die Mission des SEV, Gemeineigentum und kein privater Besitz. Die Menschen sollten daher – direkt und nicht nur indirekt – an dem großen Ressourcenreichtum in unserem Land teilhaben. Vielleicht ist die Krise eine Gelegenheit, um diesem Grundsatz – endlich – zu folgen.

Klimaschutz: Wir können etwas tun.

Auf der Nordseeinsel Pellworm ist der Klimawandel eine konkrete Bedrohung. Wer vom nahen Festland im deutschen Bundesland Schleswig-Holstein mit der Fähre zur Insel übersetzt, schwimmt unweigerlich über die bei einer Sturmflut im 14. Jahrhundert („Grote Mandränke“) untergegangene Stadt Rungholt. Auch Pellworm war einmal Teil des Festlands, bevor die Nordsee weite Teile davon überschwemmt und die heutige Insellandschaft geformt hat. Die benachbarten Halligen im friesischen Wattenmeer werden – bis auf die wenigen Wohnhäuser auf den Warften – regelmäßig überflutet und Pellworm schützt heute ein acht Meter (!) hoher Seedeich. Wenn der Wasserstand in der Nordsee aufgrund des Klimawandels ansteigen sollte, könnten die Insel – wie Rungholt – untergehen. Was kann man hier zum Klimaschutz unternehmen?

Auf Pellworm leben Sophie und Silke Backsen. Silke (52) brachte die deutsche Bundesregierung erstmals vor Gericht, weil sie das Klima nicht ausreichend schützt und Sophie (22) sorgte 2021 mit ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, dass Klimaschutz als Grundrecht betrachtet wird. Mutter und Tochter ist es zu verdanken, dass sich Deutschland strengeren Klimaschutzzielen verschrieben hat, die heute im Koalitionsvertrag der Ampelregierung stehen. Interessiert?

In diesem Podcast könnt ihr hören, was die Frauen über Klimawandel und Klimaschutz denken.

Energiesparen – wir können etwas tun: Das Beispiel Augsburg

Energiesparen beginnt im eigenen Haus – und in der eigenen Gemeinde. Ein Beispiel aus Bayern: Dort lässt die Stadt Augsburg (295.000 Einwohnerinnen und Einwohner) die Fassadenbeleuchtung an historischen Gebäuden wie dem Rathaus abschalten. Auch die kommunalen Freibäder senke die Temperatur in den Schwimmbecken für Erwachsene um einen Grad. Zu diesem Energiesparpaket gehört auch die Stilllegung von Pumpen in städtischen Brunnen und die Reduzierung der Straßenbeleuchtung.

Mit ihren Maßnahmen will die Stadt vor allem die Belastung durch rasant steigende Strom- und Gaspreise senken. Die Augsburger Stadtverwaltung hat kalkuliert, dass die jährlichen Kosten für Strom, Erdgas, Fernwärme und sonstige Energie im Jahr von knapp 16 Millionen Euro auf rund 28,3 Millionen Euro gestiegen sind. Das ist ein Plus von knapp 80 Prozent – und das kann sich auch die Fuggerstadt nicht leisten. Auch die Städte Nürnberg, Bamberg und Ansbach haben entschlossen, die Beleuchtung historischer Baudenkmäler abzuschalten. Zudem haben sie auch Ampelanlagen im Straßenverkehr reduziert oder gar abgeschalten.

Auch europäische Staaten legen inzwischen Pläne zum Energiesparen vor. Die spanische Regierung hat – gegen den Widerstand der politischen Opposition – „dringende Maßnahmen“ zur Strom- und Gaseinsparung beschlossen. Sämtliche Gebäude des öffentlichen Dienstes, aber auch Kaufhäuser, Kinos, Arbeitsstätten, Hotels, Bahnhöfe und Flughäfen werden ihre Räumlichkeiten im Sommer auf nicht weniger als 27 Grad abkühlen und im Winter auf höchstens 19 Grad beheizen dürfen. Die Vorgaben sollen bis zum 1. November 2023 gelten.

Die Verstaatlichung der Energie: Das Beispiel Frankreich

Hohe Versorgungssicherheit und niedrige Verbraucherpreise mit Kernkraftwerken? Eigentlich müsste elektrische Energie in Frankreich deutlich billiger sein als in den Nachbarländern, die viele ihrer Kraftwerke mit russischem Erdgas befeuern. Der Grund dafür ist, dass Frankreich 70% seines Bedarfs in eigenen Atomkraftwerken produzieren lässt. Nur: Das Gegenteil ist der Fall. Am 24. Juli kostete in Frankreich eine Megawattstunde Strom laut der Marktstatistik der europäischen Strombörse EPEX 450,50 Euro. Am selben Tag kostete eine MWh in Deutschland 435,89 Euro und in Italien (PUN) 362,65 Euro. Der Grund: Das Geschäft mit dem Atomstrom läuft nicht gerade rund. Aufgrund von Rissbildungen an den Rohrleitungen in mehreren Atomkraftwerken hat der französische Energiekonzern Electricitè de France (EdF) 12 seiner 56 Reaktoren vorübergehend vom Netz genommen. In etlichen anderen Anlagen laufen aktuell aufwändige Wartungsarbeiten.

Nur 18 französische Kernkraftwerke erzeugten im Juli im Regelbetrieb Strom. Fünf dieser Anlagen droht aufgrund der Trockenheit, die eine Kühlung der Reaktoren erschwert, die Zwangsabschaltung. EdF rechnet in diesem Jahr mit einer so geringen Stromproduktion wie zuletzt vor 30 Jahren. Das erhöht dort die aufgrund des Ukrainekriegs bereits bestehende  Verunsicherung der Strommärkte. In den vergangenen Monaten wurde das Land sogar zum Nettoimporteur von deutschem Strom. Viele Jahre lang war dies genau umgekehrt. In einem Ende Juli publizierten Bericht spricht die französische Energienetzagentur daher von einem „historischen Abstand zu den deutschen Preisen“. Dies obwohl Frankreich über vier LNG- Terminals verfügt und viel weniger fossiles Gas aus Russland importiert als etwa Deutschland.

Auch deshalb kündigte die französische Regierung an, sämtliche Anteile des bereits zu 84 Prozent vom Staat kontrollierten Konzerns erwerben zu wollen. Der Konzern gilt als ein wichtiges Instrument der französischen Energiepolitik. 15 Prozent der EdF-Aktien werden derzeit von privaten und institutionellen Investoren gehalten. Ein Prozent befindet sich im Besitz der Mitarbeiter. Der Börsenwert des Unternehmens sank in den vergangenen Jahren von 150 Milliarden Euro (2007) auf weniger als 40 Milliarden Euro. Die Gründe für diesen Niedergang liegen auch in den von Staat erzwungen Stützungsmaßnahmen zur Senkung der Strom- und Gaspreise (EdF muss Strom zu Niedrigpreisen an die Konkurrenz abgeben) und in dessen ehrgeizigem Atomprogramm.

So wird EdF bis 2030 angesichts der geplanten großzügigen Laufzeitverlängerungen für Kernreaktoren mehr als 50 Milliarden Euro in seinen in die Jahre gekommenen Kraftwerkspark investieren müssen. Der von Präsident Emmanuel Macron angekündigte Bau von sechs neuen Reaktoren der vierten Generation wird mindestens weitere 50 bis 60 Milliarden Euro kosten Die vollständige Übernahme durch den Staat bietet EdF jetzt eine Schuldengarantie und niedrigere Zinsen für die Aufnahme weiterer Kredite. Die wird es brauchen: EdF hat bereits Nettoschulden in Höhe von 42 Milliarden Euro angehäuft.