Skip to content

Die Verstaatlichung der Energie: Das Beispiel Frankreich

Hohe Versorgungssicherheit und niedrige Verbraucherpreise mit Kernkraftwerken? Eigentlich müsste elektrische Energie in Frankreich deutlich billiger sein als in den Nachbarländern, die viele ihrer Kraftwerke mit russischem Erdgas befeuern. Der Grund dafür ist, dass Frankreich 70% seines Bedarfs in eigenen Atomkraftwerken produzieren lässt. Nur: Das Gegenteil ist der Fall. Am 24. Juli kostete in Frankreich eine Megawattstunde Strom laut der Marktstatistik der europäischen Strombörse EPEX 450,50 Euro. Am selben Tag kostete eine MWh in Deutschland 435,89 Euro und in Italien (PUN) 362,65 Euro. Der Grund: Das Geschäft mit dem Atomstrom läuft nicht gerade rund. Aufgrund von Rissbildungen an den Rohrleitungen in mehreren Atomkraftwerken hat der französische Energiekonzern Electricitè de France (EdF) 12 seiner 56 Reaktoren vorübergehend vom Netz genommen. In etlichen anderen Anlagen laufen aktuell aufwändige Wartungsarbeiten.

Nur 18 französische Kernkraftwerke erzeugten im Juli im Regelbetrieb Strom. Fünf dieser Anlagen droht aufgrund der Trockenheit, die eine Kühlung der Reaktoren erschwert, die Zwangsabschaltung. EdF rechnet in diesem Jahr mit einer so geringen Stromproduktion wie zuletzt vor 30 Jahren. Das erhöht dort die aufgrund des Ukrainekriegs bereits bestehende  Verunsicherung der Strommärkte. In den vergangenen Monaten wurde das Land sogar zum Nettoimporteur von deutschem Strom. Viele Jahre lang war dies genau umgekehrt. In einem Ende Juli publizierten Bericht spricht die französische Energienetzagentur daher von einem „historischen Abstand zu den deutschen Preisen“. Dies obwohl Frankreich über vier LNG- Terminals verfügt und viel weniger fossiles Gas aus Russland importiert als etwa Deutschland.

Auch deshalb kündigte die französische Regierung an, sämtliche Anteile des bereits zu 84 Prozent vom Staat kontrollierten Konzerns erwerben zu wollen. Der Konzern gilt als ein wichtiges Instrument der französischen Energiepolitik. 15 Prozent der EdF-Aktien werden derzeit von privaten und institutionellen Investoren gehalten. Ein Prozent befindet sich im Besitz der Mitarbeiter. Der Börsenwert des Unternehmens sank in den vergangenen Jahren von 150 Milliarden Euro (2007) auf weniger als 40 Milliarden Euro. Die Gründe für diesen Niedergang liegen auch in den von Staat erzwungen Stützungsmaßnahmen zur Senkung der Strom- und Gaspreise (EdF muss Strom zu Niedrigpreisen an die Konkurrenz abgeben) und in dessen ehrgeizigem Atomprogramm.

So wird EdF bis 2030 angesichts der geplanten großzügigen Laufzeitverlängerungen für Kernreaktoren mehr als 50 Milliarden Euro in seinen in die Jahre gekommenen Kraftwerkspark investieren müssen. Der von Präsident Emmanuel Macron angekündigte Bau von sechs neuen Reaktoren der vierten Generation wird mindestens weitere 50 bis 60 Milliarden Euro kosten Die vollständige Übernahme durch den Staat bietet EdF jetzt eine Schuldengarantie und niedrigere Zinsen für die Aufnahme weiterer Kredite. Die wird es brauchen: EdF hat bereits Nettoschulden in Höhe von 42 Milliarden Euro angehäuft.