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Klimawandel: Das größte Risiko für die Gesundheit des 21. Jahrhunderts

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit betreffen in den nächsten Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit die meisten Bevölkerungsgruppen. Somit wird das Leben und Wohlergehen von Milliarden von Menschen einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Das zeigt der neue Bericht „Managing the health effects of climate change“ der angesehenen medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ und der University College London Institute for Global Health Commission.

Die Ausgangslage

In diesem Jahrhundert wird die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde wahrscheinlich um 2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ansteigen. In höheren Breitengraden wird der Anstieg noch viel größer sein. Manche Szenarien prognostizieren bis 2090 in Nordkanada, Grönland und Sibirien eine durchschnittliche Erwärmung von 4 bis 5 °C.

Der Lancet-Bericht skizziert die wichtigsten Bedrohungen für die globale Gesundheit durch den Klimawandel. Gründe dafür sind veränderte Krankheitsmuster, Wasser- und Ernährungsunsicherheit, gefährdete Siedlungen, extreme klimatischen Ereignisse sowie Bevölkerungswachstum und Migration. Die Zahl der Todesfälle – etwa bei älteren Menschen – aufgrund von Hitzewellen wird zunehme. Zudem werden die indirekten Auswirkungen des Klimawandels womöglich die dramatischsten Folgen für die globale Gesundheit haben.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit verschärfen in Zukunft die Ungleichheiten zwischen Arm und Reich noch stärker. Die Veränderung des Weltklimas wird sich am stärksten auf diejenigen auswirken, die den geringsten Zugang zu den Ressourcen der Welt haben. Diese haben auch am geringsten zur Klimakatastrophe beigetragen. Trotz der erreichten Verbesserungen im Gesundheitsbereich ist die Menschheit schon heute mit einer globalen Gesundheitskrise konfrontiert. Jedes Jahr:

  • sterben 10 Millionen Kinder
  • über 200 Millionen Kinder unter 5 Jahren können ihr Entwicklungspotenzial nicht ausschöpfen
  • 800 Millionen Menschen hungern
  • 1,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser

Viele ärmeren Länder – vor allem in der südlichen Hemisphäre – werden die ehrgeizigen Gesundheitsziele des UN-Millenniumsentwicklungsziels bis 2015 nicht erreichen.

Die Folgen des weltweiten Klimawandels für die Gesundheit sind untrennbar mit der globalen Entwicklungspolitik und den Bemühungen um gesundheitliche Chancengleichheit verbunden. Der Klimawandel sollte als Katalysator für die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele dienen. Zudem sollte er auch die Beschleunigung der Entwicklung in den ärmsten Ländern unterstützen.

Der Klimawandel wirft auch die Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen auf. Die Ungerechtigkeit des Klimawandels – dass die Reichen den größten Teil des Problems verursachen und die Armen zunächst am meisten unter den Folgen zu leiden haben – ist eine Schuld die unsere Generation in Zukunft trägt, wenn nichts getan wird. Die Verbesserung des Gesundheitszustands und die Verringerung der gesundheitlichen Ungleichheit können nur erreicht werden, wenn Milliarden von Menschen aus der Armut befreit werden. Das mit dem sozialen und wirtschaftlichen Wandel verbundene Bevölkerungswachstum wird zunächst in den ärmsten Ländern zu einem Anstieg der Kohlenstoffemissionen führen. Das verschärft wiederum den Klimawandel, wenn die reichen Länder, die mit ihrer Industrie Jahren am meisten zur globalen Kohlenstoffproduktion beitragen, ihren Ausstoß nicht massiv reduzieren.

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die Gesundheitsvorsorge und die primären Gesundheitsinformationssysteme in den ärmsten Ländern zu verbessern. Zudem will man Wissen und die Anpassungsstrategien lokaler Gemeinschaften auf breiter Ebene verbreiten. Zu den wesentlichen Daten gehören:

  • regionsspezifische Projektionen von Veränderungen der gesundheitsbezogenen Expositionen
  • Projektionen der gesundheitlichen Folgen verschiedener künftiger Emissions- und Anpassungsszenarien
  • Ernteerträge
  • Lebensmittelpreise
  • Messgrößen für die Ernährungssicherheit der Haushalte
  • lokale hydrologische und klimatische Daten
  • Schätzungen der Anfälligkeit menschlicher Siedlungen
  • Risikofaktoren und Reaktionsmöglichkeiten auf extreme Klimaereignisse
  • Anfälligkeit für Migration infolge von Veränderungen des Meeresspiegels oder von Stürmen sowie
  • wichtige Gesundheits-, Ernährungs- und demografische Indikatoren nach Ländern und Orten.

Außerdem müssen dringend Daten und Prognosen zu den gesundheitlichen Auswirkungen und zur Anpassung an einen stärkeren Temperaturanstieg (3 bis 4 °C) erstellt werden. Dieser wird mit großer Sicherheit tiefgreifende gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Die Verringerung von Armut und Ungleichheiten im Gesundheitsbereich ist für die Bewältigung der gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels von wesentlicher Bedeutung.  Dabei ist die Anwendung bestehender technischer Verfahren ebenso wichtig wie die Entwicklung neuer Technologien. Diese können eingesetzt werden, um die Nahrungsmittelproduktion zu steigern, die Unversehrtheit der Ökosysteme zu erhalten und die Nahrungsmittelproduktion nachhaltiger zu gestalten (die Landwirtschaft ist für zirka 22 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich). Zudem auch die Systeme für die sichere Speicherung und Aufbereitung von Wasser zu verbessern, alternative Verfahren zur Wasserversorgung zu nutzen, Abwasserrecycling und Entsalzung zu betreiben und wassersparende Technologien einzusetzen. Außerdem müssen energieeffiziente Gebäude mit kohlenstoffarmen Baumaterialien errichtet, Siedlungen geplant und Planungs- und Flächennutzungssoftware entwickelt werden. Dies kann die regionale und lokale Klimamodellierung verbessern. Zudem müssen Frühwarnsysteme und geografische Informationssysteme aufgebaut werden, und es muss sichergestellt werden, dass die Gesundheitsdienste flächendeckend zur Verfügung stehen.

Die größte gesellschaftspolitische Herausforderung ist allerdings der Lebensstil der Menschen in den reichen Ländern und einer kleinen Minderheit in den armen Ländern. Dieser ist weder nachhaltig noch gerecht ist. Eine Verhaltensänderung wird von Informationen und der Betonung der Vorteile eines kohlenstoffarmen Lebensstils abhängen. Nachhaltiger Konsum erfordert allgemein zugängliche Informationen über den Kohlenstoff-Fußabdruck, der sich aus dem Lebenszyklus von Wirtschaftsprodukten und unserem Energieverbrauch ergibt. Ein Schritt hin zu einer kohlenstoffarmen Lebensweise hat gesundheitliche Vorteile. Somit kann man die Krankheiten einschränken, die in einer Wohlstandsgesellschaft mit hohem Kohlenstoffausstoß auftreten und zudem die Auswirkungen der Luftverschmutzung verringern.

Die UCL-Lancet-Kommission ruft zu einer Gesundheitsbewegung auf, die die Bedrohung der Menschheit durch den Klimawandel als Gesundheitsproblem begreift. Die Fähigkeit der Gesundheitssysteme, wirksam auf die direkten und indirekten Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren, ist weltweit eine zentrale Herausforderung. Insbesondere in vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mit ineffizienten und unterfinanzierten Gesundheitssystemen . Die Bedrohung der Gesundheit durch den Klimawandel macht auch deutlich, wie wichtig eine auf die Bedürfnisse der Bevölkerung bezogene Planung und eine effiziente Verwaltung knapper Ressourcen sind.