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Mit gutem Beispiel voran: Das E-Werk Prad

In Prad am Stilfserjoch beginnt die „Energiewende“ schon 1923. Fünf Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nehmen sechs Bürger in Prad am Stilfserjoch die Versorgung ihres Dorfes mit Energie in die eigene Hand. Dazu bauen sie für 375.000 Lire – dem damaligen Preis für 300 Kühe – am Tschirnbach ein Wasserkraftwerk. Dieses erzeugte 1925 den ersten Strom.

Aus dem privaten Unternehmen wird 1926 eine Genossenschaft mit damals 47 Mitgliedern. Seitdem ist die Energie-Werk-Prad Genossenschaft (EWP, 1.490 Mitglieder) bemüht, die eigene Gemeinde mit eigenständig erzeugter erneuerbarer Energie zu fairen Preisen zu versorgen. Heute wird der Strom in Prad vorwiegend in vier eigenen Wasserkraftwerken, einer PV-Anlage und mit vier Kraftwärmekoppelungsmodulen erzeugt. Über das eigene Leitungsnetz gelangt die genossenschaftliche elektrische Energie zu 2.145 Stromanschlüssen. Zwei von der E-Werk-Genossenschaft geführte Heizwerke beliefern über ein 28 Kilometer langes Leitungsnetz 595 Übergabestationen mit nachhaltiger Wärme.

Von 1980 bis zu seinem Tod im Jahr 2018 leitet der legendäre Obmann Georg Wunderer die E-Werk-Genossenschaft. Er macht aus diesem lokalen Non-Profit-Betrieb einen effizienten und innovativen Energieversorger. Diesen beachten Italien und Europa und gilt auch international als „Musterbetrieb“. Ein Beispiel: 2013 legt die Umweltorganisation Legambiente ihren 8. Bericht über die Nutzung erneuerbarer Energieträger in italienischen Gemeinden vor. Dabei zeichnet sie – wieder einmal – die Arbeit des kleinen E-Werks in der Südtiroler Peripherie als „beispielhaft“ aus. Georg Wunderers energiepolitische Position lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen:

Energie gehört zur Grundversorgung für alle und muss daher den Menschen dienen und nicht der Kapitalvermehrung. Diese Haltung erklärt, warum sich Georg Wunderer in Südtirol mit Beharrlichkeit, Besonnenheit und großem Optimismus für eine periphere Energiewirtschaft eingesetzt hat. Hier sind nicht landesfremde Unternehmen oder fremde Landesunternehmen die einzigen Entscheidungsträger, sondern die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst.

Im Frühjahr 2020 wird das E-Werk in Prad zu einem wichtigen Innovationsstandort. Die vom Staatsbetrieb GSE (Gestore servizi energetici) kontrollierte Forschungseinrichtung RSE (Ricerca sul Sistema Energetico) untersucht vor Ort, ob die E-Werk-Genossenschaft in Prad ihre Mitglieder als „Energieinsel“ oder Energiegemeinschaft autonom mit Strom zu versorgen kann. Dabei stehen technische Innovationen wie digitale Steuerungssysteme und effizienten Energiespeicher ebenso auf dem Prüfstand wie eine Kosten-Nutzen-Analyse und die administrativ-rechtlichen Voraussetzungen. Die Ergebnisse dieser Projektstudie werden später zu einer wichtigen Grundlage für die Regelung von Energiegemeinschaften in Italien.