ENERGIEAUFSICHT: WAS MACHT EIGENTLICH ARERA?

Die gesamtstaatliche Regulierungsbehörde für Energienetze und Umwelt (ARERA) wurde 1995 mit der Aufgabe gegründet, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen sowie den Wettbewerb, die Zugänglichkeit von Dienstleistungen, die Effizienz und angemessene Qualitätsstandards bei der Versorgung mit elektrischer Energie zu fördern. Alle in Südtirol tätigen Stromerzeuger, Stromverteiler und Fernwärmebetriebe erhalten regelmäßig Post von der ARERA mit immer neuen Regulierungsvorschriften, die – wie die geplante Zusammenlegung kleiner Netzbetreiber oder die Eingriffe in die Preisgestaltung für Fernwärmelieferungen – häufig umstritten sind.

Die Tätigkeit der Behörde war zunächst auf den Strom- und Erdgassektor beschränkt und wurde später durch regulatorische Befugnisse in den Bereichen Wasserversorgung und Wasserwirtschaft sowie Fernwärme und Abfallmanagement erweitert. Die ARERA arbeitet im Rahmen der von der italienischen Regierung und dem Parlament formulierten allgemeinen politischen Leitlinien und der Verordnungen der Europäischen Union völlig unabhängig und eigenständig. Die finanziellen Ressourcen der ARERA stammen nicht aus dem italienischen Staatshaushalt. Die Regulierungsbehörde greift auf die Beiträge aller Unternehmen, die von ARERA reguliert werden, zurück. Die Zuständigkeiten der ARERA sind vielfältig und reichen von der technischen Qualitätssicherung bei der Versorgung mit elektrischer und thermischer Energie und der Festlegung von Standards im Bereich der Versorgungssicherheit bis zur Überwachung der buchhalterischen Entflechtung von Stromproduzenten und Stromverteilern.

G7-GIPFEL IN APULIEN: KRISENDIPLOMATIE STATT KLIMASCHUTZ

Klimaschutz und Energie? War da was? Die Prioritäten auf dem G7-Gipfel in Apulien lagen angesichts globaler Krisen woanders. Auf der Tagesordnung im Luxusressort Borgo Egnazia standen Russlands Krieg gegen die Ukraine, Gaza und der Nahe Osten, Migrationsfragen, künstlerische Intelligenz, Spannungen im indopazifischen Raum oder Afrika und nachhaltige Entwicklung. Ganz unten im offiziellen Abschlussdokument bekräftigten die G7-Staaten ihre Entschlossenheit, die dreifache globale Krise aus Klimawandel, Umweltverschmutzung und Verlust der biologischen Vielfalt anzugehen. Natürlich sei man weiterhin „fest entschlossen”, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Kurz gesagt: Die Staats- und Regierungschefs wiederholten früher gemachte Aussagen und darunter auch die Bereitschaft, substanzielle Beiträge zu einem erneuerten kollektiven quantifizierten Klimafinanzierungsziel leisten zu wollen.

Der Hintergrund: 2009 beschlossen die Industrieländer in Kopenhagen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den globalen Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern zu mobilisieren. Auf der Pariser Klimakonferenz 2015 wurde dieses Ziel bis 2025 verlängert und laut OECD-Berechnung 2022 erstmals erreicht. Für den Zeitraum nach 2025 braucht es jetzt ein neues Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantified Goal, NCQG). Die Verhandlungen über diesen globalen Klimafonds, der die 100-Milliarden-US-Dollar-Schwelle übertreffen soll, werden im November 2024 auf der UN-Klimakonferenz (COP29) in Baku im Öl- und Gasförderland Asserbeidschan fortgesetzt.

GO-ZERTIFIKATE ODER„PHYSIKALISCHE” UND „VIRTUELLE” ENERGIE

Herkunftsnachweise oder GO-Zertifikate für den in das Leitungsnetz eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energien wurden eingeführt, weil es technisch nicht möglich ist, die mit Wind, Wasser oder Sonne hergestellte elektrische Energie in Verbundnetzen für Endkunden physikalisch direkt zu liefern. Das bedeutet: Wer erneuerbare elektrische Energie in einem weit entfernten Solarkraftwerk einkauft, erhält im technischen Sinn immer den Strom, der im nächstgelegenen Kraftwerk produziert wird – auch wenn dieses mit Kohle oder Gas betrieben wird. Daher wird (grüner) Strom aus erneuerbaren Energien virtuell mit Herkunftsnachweisen vom konventionellen (grauen) Strom getrennt.

„Grauer” und „grüner” Strom können dann getrennt voneinander gehandelt werden. Der Herkunftsnachweis ist ein elektronisches Dokument und funktioniert wie eine Geburtsurkunde. Er bescheinigt, wie und wo Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde (GO = Guarantee of Origin). Gleichzeitig sorgt dieses Dokument dafür, dass erneuerbare Energie nur einmal verkauft werden kann. In Italien stellt der Gestore dei Servizi Energetici (GSE) für jede in das Stromnetz eingespeiste und mit erneuerbaren Energien erzeugte Megawattstunde ein elektronisches Zertifikat aus. Seit dem 1. Januar 2013 sind Herkunftsnachweise das einzige anerkannte Instrument, um die aus erneuerbaren Quellen erzeugte Energie im Energiemix eines Stromverteilers zu zertifizieren.

HIGHWAY ODER LANDSTRASSE: EIN- UND DREIPHASENSYSTEME

Elektrische Energie fließt von einer Stromquelle durch Leiter (Kabel) und Bauteile wie Widerstände und Kondensatoren zu unseren Haushaltsgeräten. Der Hauptunterschied zwischen einem einphasigen und einem dreiphasigen System besteht in der Anzahl der „Straßen” über die der Strom fließen kann: Eine „Straße” im Falle des einphasigen Systems und drei parallele „Straßen” bei einem dreiphasigen Systems. Als Phase (auch Phasenleiter oder Außenleiter genannt) bezeichnet man den stromführenden Leiter, der den Strom aus dem Netz zum Schalter oder zur Steckdose bringt.

Bei einphasigem Wechselstrom wird ein Leitersystem verwendet, das aus einem „heißen“ Draht und einem Nullleiter besteht. Dabei kehrt sich der Strom oder die Spannung periodisch um und fließt in die eine Richtung über den „heißen” Draht, der den Verbraucher mit elektrischer Energie versorgt, und in die andere Richtung über den Nullleiter. Ein dreiphasiges Wechselstromsystem arbeitet nicht mit einem, sondern mit drei stromführenden „heißen” Leitern. Man spricht in diesem Fall von Dreiphasen-Wechselstrom, von Drehstrom oder von Starkstrom. Einer der Vorteile des drei-phasigem Drehstroms ist, dass er fast doppelt so viel Leistung liefert wie ein-phasige Systeme, ohne dass die doppelte Anzahl an Drähten gebraucht wird. Dreiphasen-Wechselstrom (AC) wird daher oft für die Stromversorgung von Rechenzentren und von Gewerbe- und Industriegebäuden verwendet, in denen Maschinen mit hohem Stromverbrauch stehen. Einphasiger Wechselstrom ist in privaten Haushalten der übliche elektrotechnische Standard.

In vielen Ländern gibt es Leistungsgrenzen, bei deren Überschreitung auf ein dreiphasiges System umgestellt werden muss: In Italien liegt die Leistungsgrenze für ein einphasiges System gewöhnlich bei sechs Kilowatt. Die Umstellung von einem Einphasensystem auf ein Dreiphasensystem kann technische Eingriffe wie etwa eine andere Schaltungskonfiguration oder den Einbau neuer leitender Elemente erfordern. In jedem Fall muss die Verkabelung vom Verteilerkasten bis zum Stromzähler von zwei auf vier Drähte erweitert werden und es kann erforderlich sein, den Stromzähler von einphasig auf dreiphasig umzustellen. Für den Übergang von einem einphasigen auf ein dreiphasiges System berechnet der Stromverteiler in der Regel keine Kosten. Sollten dennoch Kosten anfallen, müssen diese in einem Kostenvoranschlag enthalten sein. Die Kosten werden in die Stromrechnung aufgenommen.

PESSE: DER NOTFALLPLAN FÜR DAS ITALIENISCHE STROMNETZ

Erinnert ihr euch noch: Am frühen Morgen des 28. September 2003 brach in ganz Italien die Stromversorgung zusammen. Danach war das Land – mit Sardinien als einziger Ausnahme – mehrere Stunden ohne elektrische Energie. Der Hintergrund: Italiens Stromversorgung ist – auch heute noch – von Stromimporten abhängig. Im Juli 2024 lieferten italienische Kraftwerke nur 86,4 Prozent des nationalen Strombedarfs, 13,6 Prozent wurden im Ausland – auch aus Atomkraftwerken – hinzugekauft. Am 28. September 2003 fielen – durch einen Kurzschluss und die darauf folgenden Überlastung – zwei wichtige Hochspannungsleitungen aus, über die elektrische Energie aus der Schweiz importiert wird und in Italien gingen die Lichter aus.

Am 8. Januar 2021 führten Ausfälle von Stromleitungen und Schaltanlagen in Südosteuropa zu erheblichen Problemen im europäischen Stromnetz. Auslöser des Fast-Blackouts in weiten Teilen Europas war demnach ein technischer Fehler in einer Umspannanlage im kroatischen Ernestinovo – einem wichtigen Knoten im gesamteuropäischen Stromnetz. Dort wurden zwei wichtige Hochspannungsverbindungen unterbrochen, die Strom vom Balkan in andere Teile Europas führen. Deshalb teilte sich das europäische Stromnetz in zwei Gebiete auf: den Nordwesten, dem 6,3 GW Erzeugungsleistung fehlte, und den Südosten, in dem ein entsprechender Überschuss bestand. Der österreichische Übertragungsnetzbetreiber APG berichtete, dass die Störung „das europäische Stromnetz an seine Grenzen gebracht hat“.

Um in Krisenlagen unkontrollierte Netzabschaltungen wie im Jahr 2003 verhindern zu können, legte der italienische Netzbetreiber Terna 2008 einen umfangreichen gesamtlichen Notfallplan (PESSE = Disposizioni per la predisposizione e l’attuazione del piano di emergenza per la sicurezza del sistema elettrico) vor, der 2018 zum letzten Mal überarbeitet wurde. Dafür wurden die Verbrauchspunkte (Pods) auf dem gesamten Staatsgebiet in 20 Gruppen eingeteilt – 15 davon können in einem Rotationsverfahren vom Stomnetz getrennt werden, fünf – wie der Zivilschutz, die Krankenhäuser, die Sicherheitskräfte, die Eisenbahnen oder die Flughäfen – sind von diesen Abschaltungen nicht betroffen. Im Detail: Jeder der 15 Gruppen werden in 24 Stunden bis zu drei 90minütige Abschaltphasen zugewiesen.

Der Umfang der kontrollierten „Blackouts” hängt von der jeweiligen Notfalllage in einem fünfstufigen System ab. Wird die geringste Notfallstufe I ausgerufen, werden italienweit 4,5 Prozent aller Verbrauchspunkte rotierend vom Netz genommen, bei der höchsten Notfallstufe V sind es schon 22,5 Prozent. Der Notfallmechanismus wird von Terna aktiviert und von den regionalen oder lokalen Stromverteilern umgesetzt. Ein Beispiel: Wenn Terna an einem Wochentag im Juli von 16.30 bis 18 Uhr in den norditalienischen Regionen Piemont, Lombardei und Veneto die Notfallstufe III ausruft, werden automatisch diese Stromabschaltungen angeordnet: Die Verbrauchspunkte der Gruppen 1, 9 und 12 sind von 16.30 Uhr bis 18 Uhr ohne elektrische Energie, die Gruppen 2, 10 und 18 von 18 Uhr bis 19:30 Uhr und die Nummern 3, 11 und 19 von 19:30 bis 21 Uhr.

MIT GUTEM BEISPIEL VORAN: CONSORZIO ELETTRICO DI STORO

Das genossenschaftlich geführte Consorzio Elettrico di Storo (CEDIS) im Trentiner Valle del Chiese wurde im Februar 1904 gegründet, um das Tal eigenständig mit Strom zu versorgen. Schon am ersten Januar 1905 – nach dem Bau und der Inbetriebnahme des ersten eigenen Wasserkraftwerks – gingen in den Häusern und auf den Straßen in Storo die elektrischen Lichter an. Damit gleicht die Elektrifizierung dieses Berggebiets an der Grenze zur Lombardei vielen „Stromgeschichten“ in Südtiroler Tälern. Hier wie dort wurden Bürgerinnen und Bürger selbst tätig – während zahlreiche Stromunternehmen lange Zeit die hohen Investitionskosten in diesen abgelegenen und dünn besiedelten Gebieten scheuten.

Diese „Verwandtschaft” führt zu institutionellen Bindungen: So ist CEDIS Mitglied unserer Genossenschaft. Heute versorgt das Consorzio Elettrico, das in vier Wasserkraftwerken und mehreren PV-Anlagen pro Jahr je nach Witterung 16 bis 18 Millionen Kilowattstunden Strom produziert, 3.535 Mitglieder mit Strom. Das Consorzio Elettrico di Storo ist auch Eigentümer des Leitungsnetzes und hat – wie viele Südtiroler Energiegenossenschaften – in den vergangenen Jahren einen Großteil der Leitungen unterirdisch verlegen lassen. Heute verlaufen 53 Kilometer des 84 Kilometer langen Mittelspannungsnetzes und das gesamte 260 Kilometer lange Niederspannungsnetz unter der Erde und sind damit besser vor Unwetterschäden geschützt als oberirdische Leitungssysteme. Ein zweites wichtiges Geschäftsfeld der Genossenschaft ist – wie bei vielen Südtiroler Energiegenossenschaften – die digitale Telekommunikation. CEDIS betreibt ein eigenes Glasfasernetz für die Mitglieder. Damit habe sich wieder einmal erwiesen, „dass die Peripherie auch im Trentino schneller und innovativer sein kann als große Städte”, stellt das Consorzio Elettrico di Storo auf seiner Web-Seite  (www.cedis.info) fest.