Pressemitteilung: „No Way for Future?“

No Way for Future?

Flickwerk mit Widersprüchen: Mitglieder von Ötzi Strom analysieren das Update zum Klimaplan Energie Südtirol – und die Energiepolitik des Landes.

Eine erfolgreiche und „nachhaltige“ Klimapolitik braucht die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb hat die Genossenschaft Ötzi Strom ihre Mitglieder in dieser Woche zu einem mehrstündigen Online-Workshop zum aktuellen Update des Klimaplans Energie Südtirol 2050 eingeladen, um Verbesserungsvorschläge und Kritikpunkte zu sammeln und zu diskutieren.

Schon die methodische Mängelliste ist lang: So habe man nicht nur wichtige Bereiche wie die Landwirtschaft ausgeklammert – das Update verfüge zudem über keinen Kostenplan und die Interventionen seien nicht klimaneutral. Die gesetzgeberischen Handlungsspielräume des Landes Südtirol in der Klimapolitik werden nicht abgesteckt, Verantwortungsbereiche für die Umsetzung der Maßnahmen nicht zugewiesen. Zudem habe das Land bei der Formulierung des Klima-Updates auf externes Fachwissen verzichtet. Das vorliegende Ergebnis sei daher keine von Daten gestützte Planungsgrundlage, sondern ein Flickwerk mit Widersprüchen. So sehe der Klimaplan die Reduzierung des pro Kopf berechneten Stromverbrauchs vor – obwohl heute viele Bereiche, die früher von fossilen Brennstoffen abgedeckt wurden, „elektrifiziert“ werden. Wie soll man ein E-Auto oder eine Wärmepumpe kaufen und den Verbrauch senken?

Auch das vom Land angebotene Modell einer „digitalen“ Beteiligung der Bevölkerung über die Homepage der Agentur für Umwelt und Klimaschutz überzeugt die Ötzi-Community nicht. Das Ausfüllen von – komplexen und unverbindlichen – Online-Formularen und die Vergabe von „Likes“ gleiche eher einem Monolog als einem ergebnisoffenen Dialog. Zudem sei die Online-Bewertung des Maßnahmenkatalogs nur noch bis zum 31. Dezember 2021 möglich. Eine öffentliche – und vor allem lokal verortete – Klimadiskussion habe daher nicht stattgefunden.

Business as usual: Im vergangenen Jahrzehnt habe das Land als politischer Akteur deshalb kaum Fehler gemacht, weil nichts getan wurde. Heute – so die am Workshop teilnehmenden Ötzi Mitglieder – verwalte man nur den in den 1990er Jahren in den Bereichen Wasserkraft und Fernwärme aufgebauten Bestand. Dabei erfordere wirksamer Klimaschutz tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen und betreffe die Lebenswirklichkeit aller Menschen. Das Fazit des Ötzi-Workshops: Auf die Herausforderungen antworte die Energie- und Klimapolitik – früher ein bedeutendes Ressort in der Landesverwaltung – nicht mit einem „großen Wurf“, sondern „werfe Steinchen“. Aus dem „Rums“ wird somit ein „Bums“, aus Wein wird Wasser.

Aktuelle Budgetdaten belegen diese pessimistische Einschätzung: Im Landeshaushalt 2022 – mit Ausgaben in Höhe von 6,4 Milliarden Euro – sind dem Schlüsselbereich „Energie und Diversifizierung der Energiequellen“ lediglich19,6 Millionen (!) Euro zugewiesen worden. Nur: Wirksamer Klimaschutz ist eben kein Low-Budget-Geschäft. Mit dem PR-Slogan „Every Day for Future“ stellt sich das Land Südtirol zwar neben die internationale Klimaschutzbewegung. Aber angesichts der Fakten wäre „No Way for Future‘“ vielleicht die bessere Lösung gewesen.

Dennoch: Ötzi Strom wird die im Workshop besprochenen Verbesserungsvorschläge für den Klimaplan jetzt bündeln und online deponieren. Diese reichen von der forstwirtschaftlichen Nutzung der Südtiroler Wälder als potenzielle Holzlieferanten für neue Fernheizwerke über die Neugestaltung von Energiezertifikaten für Wohngebäude und den verstärkten Einsatz von Geothermie-Anlagen bis zur aktiven Förderung für Energiegemeinschaften auf Landesebene. Ein weiterer Vorschlag betrifft die Auslotung der autonomiepolitischen Möglichkeiten für eine Energieautarkie. Nur: Dazu braucht es Mut. Und der ist heute – offenbar – nicht vorhanden.

Pressemitteilung: Erdgas ist nicht „grün“

Erdgas ist nicht „grün“

Mehr Klimaschutz wagen: Ötzi Strom fordert das Land und die Gemeinden dazu auf, schon heute auf den Energieträger Erdgas zu verzichten.

„Greenwashing“ im Klimaland: In Südtirol wird Kundinnen und Kunden heute versprochen, sie könnten mit „natürlichem“ Erdgas kochen, ihre Wohnung beheizen – und dadurch die Umwelt schützen. Dabei ist Erdgas nicht „grün“, „öko“ oder „klimaneutral“. Gleichzeitig werden in Berggebieten neue Gasleitungen verlegt. Jetzt fordert die Genossenschaft Ötzi Strom die Landesregierung und die Gemeinden dazu auf, vollständig auf den Energieträger Erdgas zu verzichten. Übrigens: Auch Südtiroler Anbieter von „grünem Erdgas“ räumen die CO₂.- und Methangasemissionen dieses fossilen Brennstoffs inzwischen offen ein und versprechen, die produzierten Treibhausgase durch Investitionen in „ferne“ Umweltschutzprojekte in Asien und Lateinamerika zu kompensieren. Wäre es da nicht nachhaltiger, auf Biomassefernwärme aus Südtiroler Heizwerken oder erneuerbare Energie aus einheimischer Wasserkraft zu setzen?

Zwar stößt eine Gasheizung weniger CO₂ aus als eine mit Kohle oder Erdöl befeuerte Anlage. Aber die Treibhausemissionen bei der Nutzung von Erdgas können nur dann ermittelt werden, wenn man den ganzen Zyklus der Versorgungskette, von der Gasförderung über den Gastransport bis zum Gasverbrauch betrachtet. Dabei entweichen – schon vor der eigentlichen Verbrennung – erhebliche Mengen des Treibhausgases Methan. Denn Methan ist ein Hauptbestandteil von Erdgas. Es entsteht, wenn organische Materialien ohne Sauerstoff zersetzt werden, etwa beim Verrotten in Mooren und Sümpfen oder auf dem Meeresboden. Auch das in Italien konsumierte Erdgas legt weite Wege zurück: 2019 stammten 46 Prozent aller italienischen Gasimporte aus Russland. 18,8 Prozent wurden in Algerien gefördert, 9,2 Prozent in Katar, 8,7 Prozent aus Norwegen und 8 Prozent aus Libyen.

Die Folgen für das Klima sind extrem: Methan ist ein starkes Treibhausgas, dessen globales Erwärmungspotenzial in einem Zeithorizont von 100 Jahren 34-mal höher und in einem Zeitrahmen von 20 Jahren 86-mal höher ist als CO₂. Auch deshalb sind selbst moderne Gaskraftwerke de in vielen Fällen deutlich klimaschädlicher als mit Kohle befeuerte Anlagen.